High-Speed-Blitzen, „Super-Sync“

High-Speed-Blitzen, Super-Sync-Blitzen

Sind Sie schon einmal an diese technische „Grenze“ in der Fotografie gestoßen: Sie wollen eine Person oder ein Objekt bei sehr starkem Gegenlicht (Sonne) fotografieren und dies mit offener Blende?

Die „klassische“ Vorgehensweise in solchen Fällen wäre es, die Verschlusszeit so anzupassen, dass der grelle Gegenlicht-Hintergrund (z.B. Himmel) richtig belichtet ist. Dabei kommen ohne weiteres Verschlusszeiten von tausendstel Sekunden zustande. Und das im Gegenlicht stehende Objekt wird zur schwarzen Silhouette ! Ein Dauerlicht zur Aufhellung müsste einige 1000 Watt Leistung bringen, um gegen das starke Sonnenlicht „anzukommen“. Eine Aufhellung mit einem eingebauten Kamerablitz oder einem Systemblitz ist zwar möglich, diese Blitze liefern aber nicht genügend Blitzleistung und sind bestenfalls noch für sehr nahestehende Objekte brauchbar. Es wäre also sinnvoll, hier die Kraft eines Studio-Blitzgerätes zu nutzen. Leider funktionieren diese standardmäßig aber nur bis zu der kameraseitig limitierten „Synchronzeit“ (sh. weiter unten).

Ein Lösungs-Ansatz wäre es, die „Synchronzeit-Bremse“ irgendwie zu eliminieren. Diese Vorgehensweise wird „Super-Sync-Blitzen“ genannt und hat stark „experimentellen Charakter“, wie wir im Weiteren feststellen werden.
Um in diese Thematik einzusteigen, muss man zunächst drei technische Zusammenhänge „durchschauen“, nämlich einmal die Arbeitsweise des Kamera-Verschlusses (Schlitzverschluss), zum anderen die „Blitzsynchron-Zeit“ und drittens die Abbrenndauer eines Blitzes.

1) Der Verschluss

Üblicherweise sind in die meisten Spiegelreflexkameras Schlitzverschlüsse eingebaut. Diese bestehen aus zwei „Vorhängen“, die zeitlich versetzt von oben nach unten über den Sensor wandern.
Beim Auslösen der Kamera setzt sich der erste Vorhang in Bewegung und öffnet so dem Licht den Durchgang zum Sensor. Nach Ablauf der gewählten Verschlusszeit setzt sich der zweite Vorhang in Bewegung und verschließt von oben nach unten wieder den Lichtzugang.
Bei längeren Verschlusszeiten ist der erste Vorhang nach der Auslösung komplett geöffnet und der zweite Vorhang verschließt irgendwann alles wieder. Bei kürzeren Verschlusszeiten wird irgendwann der Punkt erreicht, wo der erste Vorhang noch nicht ganz „unten“ angekommen ist, sich der zweite Vorhang aber bereits in Bewegung setzt. Es bildet sich also ein Ausschnitt zwischen den beiden Vorhängen, der nun von oben nach unten wandert und das Licht für den Sensor freigibt. Je kürzer die gewählte Verschlusszeit, desto schmaler ist dieser streifenförmige Ausschnitt. Und genau hier liegen die physikalischen Grenzen des Verschlusses: sehr gute Kameras können so eine Belichtungszeit von 1/8000sec und kürzer realisieren.

2) Unter Blitz-Synchronzeit (auch als X-Sync bezeichnet) ist die kürzest mögliche Zeiteinstellung für den Verschluss zu verstehen, bei der der Sensor noch komplett freigelegt ist, bevor der zweite Vorhang in Bewegung gerät. In diesem Moment des vollkommen offenen Sensors wird der Blitz gezündet. Logischer Weise sind längere Verschlusszeiten somit problemlos möglich. Stellt man aber eine kürzere Zeit ein, so verdeckt der zweite Verschlussvorhang bereits einen Teil der Sensorfläche, bevor der Blitz „zündet“, es entsteht also ein dunkler Rand am oberen Ende des Bildes, der umso größer wird, je kürzer die Verschlusszeit gewählt wurde. Bei guten Kameras liegt diese Synchronzeit bei 1/250 sec.

Die folgenden Abbildungen machen diese Vorgänge deutlich.

Abb.1 für Verschlusszeiten, die länger oder gleich der x-Synchronzeit sind

Verschluss1

1 = Verschluss geschlossen, Sensor verdeckt
2 = erster Vorhang öffnet von oben nach unten
3 = erster Vorhang geöffnet, Sensor liegt komplett frei
4 = zweiter Vorhang läuft von oben nach unten
5 = zweiter Vorhang hat den Sensor wieder vollkommen verdeckt, Verschluss ist geschlossen.

Abb. 2 für Verschlusszeiten, die kürzer als die X-Synchronzeit sind:

Verschluss2

1= Verschluss geschlossen, Sensor verdeckt
2= erster Vorhang öffnet von oben nach unten
3 = zweiter Vorhang läuft von oben nach unten, bevor der erste Vorhang ganz unten ist.
4 = erster Vorhang ist unten, zweiter Vorhang ist fast unten
5 = zweiter Vorhang hat den Sensor wieder vollkommen verdeckt, Verschluss ist geschlossen.

3) Die Abbrenndauer ist bei verschiedenen Blitzgeräten unterschiedlich kurz. Man kann feststellen, dass sie bei teuren Blitzgeräten sehr viel kürzer ist, als bei billigeren.
Genau hier setzt die Problematik des „Super-Sync“-Blitzens ein. Ist der Blitz bereits abgebrannt, bevor der Schlitz des Verschlusses die gesamte Sensorfläche überstrichen hat, bleibt ein Teil des Sensors unbelichtet.
Es gilt also, die Abbrenndauer eines Blitzes soweit wie möglich zu verlängern!
Ein Systemblitz, der mit der „High-Speed“-Funktion ausgestattet ist, macht das so: er zündet, die Abbrennkurve kommt nach kurzer Zeit an ihrem Höhepunkt an und kurz nachdem sie anfängt, wieder abzufallen, zündet der Blitz erneut. Das ist ähnlich, wie bei einem Stroboskop-Blitz – mit dem Unterschied, dass die Abbrennkurve nicht auf „Null“ abfällt und dann wieder neu gezündet wird, sondern sie bleibt im oberen Bereich und wird immer wieder neu gezündet, wenn sie abfällt – und das so lange, wie der Schlitz des Verschlusses unterwegs ist – es wird also Licht auf jeden Bereich des Sensors kommen, auch bei kürzesten Verschlusszeiten – es ist eine Art (pulsierendes) Dauerlicht über den gesamten Ablauf des Verschlussvorganges.. Leider geben die Systemblitze aber in diesem Modus nur eine sehr begrenzte Blitzleistung ab und wenn man bedenkt, dass von dem abgegebenen Licht nur das zur Wirkung kommt, welches durch den schmalen Schlitz des Verschlusses kommt (der Rest „verpufft“ am Vorhang selbst), dann wird klar, dass diese Ausbeute nicht wirklich wirkungsvoll und ausreichend ist und bestenfalls sehr naheliegende Objekte erreichen kann.
Viel besser wäre es also, wenn man die sehr viel höhere Leistung eines Studioblitzes nutzen könnte – dieser hat aber den Nachteil, dass er kein pulsierendes Dauerlicht zur Verfügung stellen kann und deshalb nur bis zur Synchronzeit „funktioniert“.
Ab hier bewegt man sich im „experimentellen“ Bereich und kommt nicht umhin, Versuche zu machen, wobei man sehr schnell feststellt, dass die Methode bei einigen Verschlusszeiten funktioniert, bei anderen aber wieder nicht! Und es gibt keine „Rezepte“ für bestimmte Kamera-Blitz-Kombinationen, weil selbst baugleiche Produkte gewissen Toleranzen unterliegen und wir müssen uns klarmachen, dass diese Toleranzen durchaus größer sind, als die Parameter, die notwendig sind, um diese „Überlistung der technischen Gegebenheiten“ zu bändigen. Mit anderen Worten: selbst mit zwei gleichen Kameramodellen und zwei gleichen Blitzen wird es unterschiedliche Ergebnisse geben! Jeder Fotograf muss also mit seiner ureigenen Ausrüstung experimentieren, bei welchen Verschlusszeiten und bei welchen Leistungseinstellungen des Blitzes zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen sind.
Ein wesentliches Hindernis ergibt sich durch die Tatsache, dass ein Studio-Blitz – ausgelöst durch einen herkömmlichen Funkauslöser über den Mittenkontakt des Blitzschuhs der Kamera erst zündet, wenn die Kamera „bereit“ ist, also den Verschluss in Bewegung setzt. Dies ist aber viel zu spät fürs Super-Syncen: die Leistungskurve hat ihren Höhepunkt bereits erreicht und befindet sich auf dem stark abfallenden Teil, es würde also ein zu starker Helligkeitsverlauf entstehen (mehr als 2 Blenden übers Bild verteilt). Abhilfe würde es schaffen, wenn man den Studio-Blitz über seinen optischen Sensor mit dem „Messblitz“ eines Aufsteckblitzes zündet und so dafür sorgt, dass der Studioblitz bereits zündet, bevor sich der Verschluss in Bewegung setzt. Nun befindet sich der Abbrennvorgang in der auslaufenden Phase, deren Kurve schon sehr viel flacher ist. Hierbei ist man jedoch sehr eingeschränkt durch die Lichtverhältnisse und Entfernungen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Auslösung des Studioblitzes über die PC-Buchse eines Funkauslösers, der über diesen Weg ebenfalls das Signal des Messblitzes sendet. Mir ist zur Zeit nur ein Funkauslöser (für Canon) bekannt, der dies zuverlässig realisiert: der Yongnuo YN622. Dieser gibt das Signal über die PC-Buchse entsprechend des Signals für Vorblitze aus und dieses Signal reicht aus, um den Studioblitz zu zünden. Der YN622 ist ein „Transceiver“ – man benötigt also zwei davon, einen als Sender auf dem Blitzschuh der Kamera und einen als Empfänger, der über seine PC-Buchse mit dem Blitz verbunden wird.
Als Studio-Blitz kommen hauptsächlich „billige“ Studioblitze in Frage (z.B. Walimex), wegen der langen Abbrenndauer dieser Geräte. Ein „Porty“ (mobile Blitze haben i.d.R. längere Abbrenndauern als andere) wäre z.B. der Jinbei FL500, der ebenfalls lange Abbrenndauern hat.
Es geht nun darum, experimentell herauszufinden, welche Verschlusszeit mit der Abbrenndauer des Blitzes noch zu einer vernünftigen Belichtung führt und sich diese Werte dann zu notieren oder zu merken. Man kann hier keine Vorgaben machen, da jeder Blitz eine individuelle Abbrennkurve hat und auch die Kameraverschlüsse (selbst bei gleichen Modellen!) einige Toleranzen haben. Was man aber sagen kann ist, dass es umso besser funktioniert, desto länger die Abbrenndauer ist – mit anderen Worten: ein billiger Studioblitz (lange Abbrenndauer) hat größere Möglichkeiten, als ein teurer (kurze Abbrenndauer) !

 

Abbrenn1
Beispiel 1: Abbrennkurve eines guten Studioblitzes. Der graue Bereich ist der Zeitraum, den der Schlitz des Verschlusses benötigt, um den ganzen Sensor zu überstreichen. Die schnelle Abbrenndauer führt zu einem starken Lichtabfall.

Abbrenn2
Beispiel 2: Eine längere Abbrenndauer hat in dem grauen Bereich einen flacheren Abfall und führt schon zu akzeptabler Lichtverteilung.

Abbrenn2
Beispiel 3: Eine sehr langsame Abbrennkurve führt zu einem wesentlich gleichmäßiger ausgeleuchteten Bild, die Kurve ist über den Belichtungszeitraum fast konstant.



Abschließend einige Ergebnisse meiner eigenen Testreihen zu dem Thema:

Zunächst habe ich einige Versuche im Studio gemacht mit einer EOS 5DIII, einem 50mm/1,2 – Objektiv, zwei Transceivern Yongnuo 622 und einem Walimex 260K. Dann mit einem älteren portablen Blitzgerät von Profoto (B2) und einem Profoto Pro-Head B2. Um es vorwegzunehmen: in beiden Fällen hatte ich brauchbare Ergebnisse bis 1/8000 sec bei ISO 50 und F=1,2 !
Im Detail:


Aufnahme 1:  mit einem Blitz aus 2m Entfernung von oben links mit 1/1 Leistung (260WS), Standardreflektor ohne Softbox. Das Bild wurde vor einer weißen (!) Wand gemacht, die ca 3m hinter dem Model steht. Das Histogramm zeigt eine ausgewogene Verteilung von Lichtern und Schatten.

Aufnahme 2: zusätzlich Aufhell-Reflektor von rechts. Im Histogramm sehr schön zu sehen, wie der „Tiefenberg“ etwas weiter gestreckt und flacher wird, also die Mitteltöne etwas mehr Zeichnung bekommen haben.

Zum Abschluss noch zwei Aufnahmen mit dem Profoto-B2, der ebenfalls in allen Bereichen von 1/20sec bis 1/8000sec Verschlusszeit funktionierte:


Aufnahme 3: mit Profoto B2, ein Blitzkopf, auf ½ Leistung.
Lichtsetzung jetzt in Gesichtshöhe von 20° links, es fiel also noch Licht auf den ca 3m entfernten weißen Hintergrund.

Aufnahme 4: mit ½ Blitzleistung, diesmal mit 1/200sec.
Histogramm schon fast „ideal“.
Der Lichtabfall von links nach rechts deutet auf eine kürzere Abbrenndauer des Blitzes hin (im Vergleich zu den Walimex

Die gezeigten Testaufnahmen sollen lediglich „unter Beweis stellen“, dass es durchaus möglich ist, Verschlusszeiten jenseits der Synchronzeit – ja bis hin zum Limit des Kameraverschlusses – zu ermöglichen und somit mit offener Blende und ISO 50 alle Limits seitens der Kamera auszureizen und dennoch vernünftig belichtete Bilder zu erzielen.
In welchen Situationen dieses Wissen hilfreich ist, soll Thema eines anderen Workshops sein, in dem diese Technik Outdoor bei krassem Gegenlicht und sich bewegenden Objekten ausprobiert wird.